13.06.2012  Wir sind morgens über die längste Fußgängerbrücke auf dem AT gelaufen und haben eine ganze Stunde lang beim Trampen gestanden. Glasgow ist ein nettes, kleines Dorf mit nur 1050 Einwohnern. Mittendrin gibt es eine schöne Wiese mit einer Shelter, außerdem eine Dusche mit warmem Wasser. Waschsalon, Post-Office, einen Dollar-General und einen weiteren Lebensmittelladen, freies Internet in der Bücherei - alles ganz nah. Richtig nett ist es hier, das Dorf lädt zum Bleiben ein. Abends werden wir dann noch zu Bier, Hot Dogs, Kartoffel- und Nudelsalat ans Lagerfeuer eingeladen, weil James heute seinen Geburtstag feiert.

14.06.2012  Den ganzen Tag verbringen wir bei allerschönstem Wetter in Glasgow. Bevor wir abends wieder in den Wald verschwinden, gibt es ein kostenloses Essen von einigen Wohltätern. Jede Woche veranstalten diese Trail Angels einmal " Hiker-Feed ". Von Oma und Opa bis zum Baby sind alle dabei und verwöhnen uns. Es gibt Hot Dogs, Hamburger, Red Beans, Maiskolben mit Butter, viele verschiedene Salate, Kekse, Chips, Wassermelone und kalte Getränke umsonst. Gegen 19.00 Uhr möchten wir wieder zum Trail zurücktrampen. Wir sind noch gar nicht an der richtigen Stelle angekommen, da hält schon ein Auto und ein Einheimischer lädt uns zum Mitfahren ein. Ich kann den Mann wegen seiner fehlenden Zähne und des breiten, amerikanischen Akzents gar nicht verstehen, aber Thomas übersetzt : " Ich weiß, wo ihr hinwollt. " Er bringt uns die 6 Meilen bis zum AT, wendet und fährt dieselbe Strecke wieder zurück. Wir können es manchmal wirklich nicht fassen, dieser nette Mensch hat den Weg tatsächlich nur für uns gemacht. Es sind nur 2 Meilen bis zur Johns Hollow Shelter, wo wir eine neue 5-köpfige Gruppe kennenlernen : Bliss ( von Blister - Blase ), Guano, Wild Bill, Long John und Detective. Wir nennen sie die Hammock-Gang, weil sie alle 5 ihre Hängematten im Kreis rund um das Lagerfeuer gehängt haben. Eine sehr sympathische Gruppe, vor allem auch schön ruhig, sowohl abends als auch am frühen Morgen. Wir werden diese netten Hiker in den nächsten Tagen noch öfter treffen.

15.06.2012  Den ganzen Tag geht es über die Berge, immer hoch und wieder ´runter. Zur Entschädigung erleben wir kurz vor unserem Ziel eine ganz besondere Trail Magic. Danny und Judy heißen die guten Geister, beide etwas kauzig, aber sie bieten das volle Verwöhnprogramm. Seit 25 Jahren verbringen die beiden ihren Urlaub damit, die Hiker zu füttern und zu versorgen. Stehen da mit ihrem vollgepackten Auto, großem Zelt, Picknick-Tischen, Gartenstühlen und vollem Küchen-Equipment. Danny grillt besonders leckere Würstchen, seine Frau brät Zwiebeln, rote und grüne Paprika ganz frisch in der Pfanne an. Zu den Hot Dogs gibt es Red Beans, Salat und hartgekochte Eier. Außerdem bekommen wir kalte Getränke, Kekse und sogar Kaffee angeboten. Richtig lecker, obwohl wir nun 3 Tage nacheinander Hot Dogs gegessen haben. Unsere anvisierte Shelter sowie der Platz drumherum sind voll mit Day- und Weekend-Hikern. Deswegen laufen wir noch ein Stück weiter und zelten kurz vor der Straße nach Buena Vista neben einem kleinen Bach. Mit 19 Meilen haben wir heute wieder eine gute Tagesetappe erreicht.

16.06.2012  Direkt nach dem Aufstehen haben wir 4 Meilen Anstieg bis auf den Bald Knob vor uns. Auf dem Gipfel macht uns eine Inschrift auf einem Stein sehr nachdenklich : Hier wurde im November 1891 der kleine Olli tot aufgefunden. Er wurde nur 4 Jahre und 11 Monate alt und ist 7 Meilen entfernt aus seiner Tagesstätte verschwunden. Wie der wohl hier heraufgekommen ist ? Bei unserer ersten Pause treffen wir Texas-Piet und seine Mutter Wishbone wieder, später am Nachmittag gleich nochmal. Abends erreichen wir nach 17,9 Meilen den Spy Rock mit 3793 Fuß Höhe. Unterhalb der massiven Felsen gibt es viele schöne Zeltplätze auf grüner Wiese. Und wir bleiben die Nacht über schon wieder trocken.

17.06.2012  Wir beginnen den Tag mit einer Kletterpartie auf den Spy Rock, wo uns eine schoene Morgenstimmung und tolle Aussicht erwarten. Zwei junge Maenner haben in ihren Schlafsaecken dort oben uebernachtet. Kurz nach unserem Fruehstueck gibt es eine neue Trail Magic kurz vor einer Strasse : 2 Dosen Limo sind noch in der Kiste, eine Portion Ramen-Nudeln, Teebeutel und Toilettenpapier. Wie praktisch ! Dazu hat jemand ins Buch geschrieben " Back to the basics ". An diesem Tag treffen wir mehrmals Texas-Piet mit seiner Mutter Wishbone, ein sehr nettes Paar. Auf einem Waldweg liegt ein handgeschriebener Zettel mit einer Warnung vor agressiven Wespen. Und tatsaechlich wird Piet 2 x sehr schmerzhaft gestochen. Auch die beiden Jungens, die auf dem Spy Rock uebernachtet haben, berichten uns spaeter, dass jeder von ihnen 3 x gestochen wurde. Wir haben Glueck gehabt. Gegen 16.30 Uhr erzaehlt uns Texas-Piet von einer Brauerei mit lecker Essen und kostenlosem Zeltplatz dabei. Sie haben einen Shuttle fuer 19.30 Uhr zum Strassenabzweiger Reeds Gap bestellt. Ob wir mitkommen wollen ? Das ist eine gute Idee und motiviert uns, die Tagesetappe etwas laenger als geplant zu machen. Es sollten noch geschaetzte 7 Meilen bis dorthin sein, muss jedoch viel mehr gewesen sein. Wir waren schon ziemlich am Ende, hatten aber noch einen schlimmen Anstieg auf den Three Ridges Mountain zu bewaeltigen. Wir mussten stramm laufen, als wir bemerkten, dass es knapp werden sollte. Die letzte Stunde sind wir beinahe gerannt, ueber Stock und Stein und mit schmerzenden Schultern und Fuessen. Als wir gerade noch rechtzeitig beim Auto ankommen, erst einmal grosse Enttaeuschung, denn im Wagen ist kein Platz mehr fuer uns. Aber waehrend wir noch ratlos an der Strasse stehen, haelt ein aelteres Ehepaar und bringt uns bis zur Brauerei. Es gibt natuerlich Bier und endlich mal etwas anderes als Hot-Dogs. Zum Schluss erlaubt uns der Manager, unser Zelt auf seiner Wiese aufzuschlagen. Aber soweit kommen wir gar nicht, weil einige andere Hiker uns zu sich ins Haus einladen. Die Wiese ist sehr nass, im Haus ist es uns aber zu hell und zu laut. Deswegen breiten wir unsere Isomatten draussen auf der ueberdachten Holzterasse aus und schlafen dort ausgesprochen gut und trocken.

18.06.2012  Der Tag beginnt mit Kaffee auf der Terasse, den wir uns kostenlos im Restaurant abholen koennen. Spaeter erleben wir mal wieder eine Ueberraschung, als wir auf einer Treppe unsere Pause machen : Dort steht ein Karton mit Wasserflaschen, die brauchen wir heute nicht, weil wir gerade 4 Liter Wasser den Berg hinauftragen. Aber dabei liegt ein kleiner Brief, der von Regina Ridgerunner unterschrieben ist. Diese Trail Magic kommt von der Frau, die wir am ersten Morgen am Zelt von Ranger John kennengelernt haben. Und als wir gerade 10 Minuten dort sitzen, haelt ein Wagen, und Regina Ridgerunner persoenlich steigt aus. Was fuer ein toller Zufall ! Der restliche Tag ist nass und kalt . Wir laufen viel zu lange durch ohne Anzuhalten, bis wir ziemlich fertig nach 19,1 Meilen am Rockfish Gap stehen. Das ist die Strasse nach Waynesboro, wo wir einen kostenlosen Zeltplatz und schoene, warme Duschen auf dem Gelaende des YMCA bekommen. Eigentlich hatten wir fuer diese Etappe von 75,5 Meilen einen Tag laenger eingeplant, aber da wir jeden Tag so viele Meilen geschafft haben, kommen wir bereits nach 4 Tagen todmuede hier an.

19.06.2012  Ein netter, alter Herr mit langem, grauen Bart kommt bis zu unserem Zelt gefahren und fragt, ob er uns irgendwo hinbringen kann. Schon wieder ein Trail-Angel !  Er faehrt Thomas zum Outfitter und wird uns auch morgen frueh wieder zum Trail fahren. Diese Hilfsbereitschaft ist manchmal wirklich unglaublich !  In der Nachbarschaft unseres Platzes haben ein paar Groundhogs ihr Zuhause. Das sind kleine, braune Pelztiere, die zu den Murmeltieren gehoeren, aber auch im Bach nebenan einen Damm gebaut haben. Nachdem wir Waschsalon, Internet in der Buecherei, Post und Proviant-Einkauf erledigt haben, lassen wir den Abend an einem der Picknicktische ausklingen. Dabei koennen wir Fledermaeusen zusehen, die am Himmel ueber uns ihre Runden drehen.
 
20.06.2012  Ein drueckend warmer Tag. Schon morgens, als wir von der tollen YMCA-Dusche kommen, dampft die Wiese in dieser schwuelen Hitze. Im Bach schwimmt eine Wasserschlange, etwa 1 Meter lang und duenn. Kurz nach 9.00 Uhr kommt unser Trail-Angel Robert Davis und bringt uns zum Rockfish Gap, wo wir den Trail vor 2 Tagen verlassen haben. Kurzer Abstecher ins Visitor-Center, dann starten wir wieder. Als erstes kriecht eine Schildkroete der bereits bekannten Art ueber unseren Weg. Dann kommen wir zum Glueck ungeschoren an einem offenen Wespennest vorbei. Ein netter Hiker hatte freundlicherweise einen Zettel mit einer Warnung an den Wegesrand gelegt, so dass wir langsam und ganz ruhig dran vorbeigehen koennen. Gegen Abend, kurz vor der Skyline-Drive ein neuer Fall von Trail-Magic : Wasser aus einem Kuehlbehaelter, Becher dazu und ein Wassernapf fuer Hunde auf dem Boden. Ja, Wasser wird nun echt knapp. Wir koennen abends nicht kochen, weil wir nicht genug Wasser haben. Aber 4 Liter zum Trinken ueber die Berge tragen erscheint uns schon reichlich schwer. Ein braunes Reh spaziert total entspannt um unser Zelt herum und grast, waehrend wir den morgigen Tag planen. Allerdings leider auch noch Milliarden anderer Krabbelviecher - es juckt und kribbelt ueberall.    
 
21.06.2012  Sommeranfang ist auf dem Appalachian Trail der " Hike-naked-day " - nein, wir haben nicht mitgemacht und auch niemanden getroffen. Morgens kein Wasser mehr zum Trinken und elendige Hitze. Wir kaempfen uns 8 Meilen weiter bis zur Blackrock Hut, wo es Wasser, Tee und Fruehstueck gibt. Ab jetzt bewegen wir uns im Shenandoah National Park.